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Fehlende Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassung kann geheilt werden
Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KSchG ist der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens über die betroffenen Berufsgruppen zu informieren. Soll jedoch wegen Betriebsstillegung allen Arbeitnehmern gekündigt werden, kann eine unterlassene Unterrichtung über die Berufsgruppen durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden.
Das entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 9.6.2016 – 6 AZR 405/15).
In dem Verfahren klagte eine Produktionsmitarbeiterin gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses. Nachdem über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hatte der beklagte Insolvenzverwalter den Betriebsrat darüber informiert, dass der gesamte Betrieb stillgelegt und allen Arbeitnehmern im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt werden würde. Die davon betroffenen Berufsgruppen gab er gegenüber dem Betriebsrat nicht an. In dem daraufhin abgeschlossenen Interessenausgleich erklärte der Betriebsrat allerdings, vollständig unterrichtet worden zu sein. Nach abschließender Beratung sei das Konsultationsverfahren beendet. Sodann kündigte der Beklagte der Klägerin zum 31.3.2014. Diese hielt die Kündigung jedoch für unwirksam, weil das Konsultationsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.
Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Die fehlende Unterrichtung des Betriebsrats über die Berufsgruppen sei durch dessen abschließende Stellungnahme im Interessenausgleich geheilt worden. Aus dieser ergebe sich, dass der Betriebsrat seinen Beratungsanspruch für erfüllt gehalten habe.
Schadensersatz wegen Verletzung der Friedenspflicht
Ein Streik, durch den auch solche Forderungen durchgesetzt werden sollen, die eine tarifvertraglich vereinbarte Friedenspflicht verletzen, ist rechtswidrig und begründet bei schuldhaftem Handeln einen Schadensersatzanspruch des Kampfgegners.
Das entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 26.7.2016 – 1 AZR 160/14).
In dem Verfahren klagte die Fraport AG (Fraport), Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens, gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), welche die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals vertritt. Zwischen den Parteien besteht ein Tarifvertrag für die Beschäftigten der Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale. Die darin getroffenen Regelungen sollten für die Vertragslaufzeit abschließend sein, wobei die Bestimmungen der §§ 5 bis 8 erstmals Ende 2017, alle weiteren aber bereits Ende 2011 gekündigt werden konnten. Nachdem die GdF den Tarifvertrag, bis auf die §§ 5 bis 8, zum 31.12.2011 gekündigt hatte, einigten sich Fraport und GdF im Zuge der Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Tarifvertrags auf die Durchführung eines Schlichtungsverfahren. Die abschließende Schlichterempfehlung beinhaltete auch Ergänzungen zu den noch nicht gekündigten Regelungen des Tarifvertrags. Um die Empfehlung des Schlichters gegenüber der Fraport durchzusetzen, rief die GdF die Gewerkschaftsmitglieder zu einem Streik auf, der am 29.2.2012, nach knapp zwei Wochen, durch eine gerichtliche Unterlassungsverfügung beendet wurde. Fraport vertrat nunmehr die Auffassung, die GdF müsse ihr die streikbedingten Schäden ersetzen.
Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, erklärten die Bundesrichter den „von der GdF getragenen, als einheitliche und unteilbare Handlung zu beurteilenden Streik“ für rechtswidrig. Die Gewerkschaft habe beabsichtigt, durch den Streik die Schlichterempfehlung und damit auch eine Abänderung der noch nicht gekündigten Regelungen des Tarifvertrags durchzusetzen. Diese Regelungen hätten jedoch zum Zeitpunkt des Streiks noch der im Tarifvertrag vereinbarten erweiterten Friedenspflicht unterlegen. Die GdF habe schuldhaft gehandelt und sei deshalb gegenüber Fraport aus Delikt und wegen Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig.
Keine Zustimmung zu außerordentlicher Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Drohung mit „hoher Wahrscheinlichkeit“
Die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen einer gravierenden Pflichtverletzung ist nicht gerechtfertigt, wenn dieses lediglich mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ verdächtigt wird, einen Arbeitnehmer bedroht zu haben.
Das hat das Landesarbeitsgerichts Hamm entschieden (Beschluss v. 30.8.2016 – 7TaBV 45/16).
Einer seit 20 Jahren in einem von der Arbeitgeberin betriebenen Bochumer Seniorenzentrum beschäftigten Betriebsrätin war vorgeworfen worden, einer Wohnbereichsleiterin eine Trauerkarte in ihr dienstliches Postfach gelegt zu haben. Diese Karte enthielt die handschriftliche Zusatzbemerkung „Für Dich (bist die nächste)“. Im Rahmen eines von der Arbeitgeberin beauftragten Schriftgutachtens bestätigte der Sachverständige, dass es sich dabei mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ (3. von 8 Übereinstimmungsgraden) um die Handschrift der Betriebsrätin handle. Mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ oder „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ (höhere Übereinstimmungsgrade) ließ sich dies allerdings nicht feststellen. Als die Arbeitgeberin daraufhin das Arbeitsverhältnis der Betriebsrätin durch außerordentliche Kündigung beenden wollte, verweigerte der Betriebsrat die nach § 103 Abs. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung.
Nachdem der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung dieser Zustimmung erstinstanzlich abgewiesen wurde, wiesen die Richter des Landesarbeitsgerichts nunmehr die dagegen gerichtete Beschwerde zurück. Die Zustimmung des Betriebsrats sei in diesem Fall nicht gem. § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürfe eine Verdachtskündigung nur unter engen Voraussetzungen erfolgen. Insbesondere müsse der dringende Verdacht einer gravierenden Pflichtwidrigkeit auf „objektiven Tatsachen“ beruhen. Hierfür habe der Arbeitgeber alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Dazu gehöre vor allem auch, den betroffenen Arbeitnehmer „zu den konkreten Verdachtsmomenten“ zu befragen. Der Verdachtsgrad reiche im zu entscheidenden Fall nicht aus, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Einsicht in Personalakte – kein Anspruch auf Hinzuziehung eines Anwalts
Nach § 83 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG haben Arbeitnehmer das Recht, Einsicht in ihre Personalakten zu nehmen und hierfür ggf. ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen. Die Regelung begründet aber keinen Anspruch des Arbeitnehmers, die Einsichtnahme im Beisein eines Rechtsanwaltes vorzunehmen.
Das entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 12.7.2016 – 9 AZR 791/14).
Der klagende Arbeitnehmer ist nach einem Betriebsübergang als Lagerist für die Beklagte tätig. Nachdem die vorherige Arbeitgeberin dem Kläger gegenüber eine Ermahnung ausgesprochen hatte, verlangte dieser Einsicht in seine Personalakten im Beisein einer Rechtsanwältin. Dies verweigerte die Arbeitgeberin, erlaubte dem Kläger jedoch, die Dokumente in seinen Personalakten zu kopieren.
Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Die Bundesrichter führten aus, dass Arbeitnehmer zwar zur Einsichtnahme in ihre Personalakten berechtigt seien und hierfür auch ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen könnten (§ 83 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG). Die Regelung berechtige damit aber nicht dazu, die Anwesenheit eines Rechtsanwalts zu verlangen. Da dem Kläger ermöglicht worden sei, die Schriftstücke in seinen Personalakten zu kopieren, lasse sich ein solcher Anspruch auch weder aus der Rücksichtspflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) noch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ableiten. Die Beklagte sei an die Erlaubnis der bisherigen Arbeitgeberin gebunden (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB), so dass der Kläger anhand der Kopien den Inhalt seiner Personalakten in ausreichender Weise mit seiner Rechtsanwältin prüfen könne.
Betriebliche Altersversorgung – Verzinsung von Versorgungskapital
Sieht eine Betriebsvereinbarung vor, dass der Arbeitgeber den Zinssatz für das einem Arbeitnehmer im Versorgungsfall in mehreren Raten auszuzahlende Versorgungskapital bestimmt, kann sich der Arbeitgeber an der Rendite von Staatsnullkuponanleihen orientieren.
Das entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 30.8.2016 – 3 AZR 272/15).
Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, beschäftigt. In dem Unternehmen wurde im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Entgeltumwandlung abgeschlossen. Durch die Entgeltumwandlung wird das Versorgungskapital aufgebaut. Die Auszahlung ist in einer zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Richtlinie geregelt. Diese sieht vor, dass das Versorgungskapital im Versorgungsfall in max. zwölf Jahresraten ausgezahlt wird, wobei das übrige Versorgungskapital marktüblich zu verzinsen ist. Dabei wird der Zinssatz von der Beklagten bestimmt. Als das Arbeitsverhältnis des Klägers nach Vollendung des 65. Lebensjahres endete, betrug sein Versorgungskapital etwa 360.000 Euro. Als Zinssatz setzte die Beklagte, basierend auf der Zinsstrukturkurve für deutsche und französische Staatsnullkuponanleihen, 0,87 Prozent jährlich an. Der Kläger verlangte jedoch eine Verzinsung in Höhe von jährlich 3,55 Prozent.
Nach Auffassung der Bundesrichter könne der Kläger allerdings keinen höheren Zinssatz als den von der Beklagten festgelegten beanspruchen. Vielmehr liege es nach § 315 BGB im billigen Ermessen der Beklagten zu bestimmen, „welcher Markt für die Marktüblichkeit der Verzinsung heranzuziehen ist und welcher konkrete Zinssatz festgelegt wird“. Die Orientierung an der Rendite für Nullkuponanleihen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik sei rechtlich unbedenklich, da es nicht unbillig sei, „für die Verzinsung eines Versorgungskapitals darauf abzustellen, wie dieses sicher angelegt werden kann“.
Arbeitgeber muss Reinigungskosten für vorgeschriebene Hygienekleidung übernehmen
Arbeitgeber, in deren Betrieben Lebensmittel verarbeitet werden, sind verpflichtet, für saubere und geeignete Hygienekleidung ihrer Beschäftigten zu sorgen. Davon umfasst ist auch die Reinigung dieser Kleidung auf Kosten des Arbeitgebers.
Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 14.6.2016 – 9 AZR 181/15).
In dem Verfahren klagte ein Arbeitnehmer gegen seine Arbeitgeberin, die einen Schlachthof betreibt. Pro Monat zieht die Beklagte dem im Bereich der Schlachtung eingesetzten Kläger 10,23 Euro vom Nettolohn für die Reinigung der ihm zur Verfügung gestellten Hygienekleidung ab. Eine Vereinbarung hierüber hatten die Parteien nicht getroffen. Der Kläger verlangte nunmehr eine Nachzahlung des von der Beklagten im Zeitraum Januar 2011 bis Februar 2014 bereits einbehaltenen Lohns in Höhe von 388,74 Euro netto sowie die Feststellung, dass die von der Beklagten vorgenommenen Lohnabzüge unberechtigt sind.
Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Der Kläger sei nicht dazu verpflichtet, für die Reinigungskosten aufzukommen und diese der Beklagten gemäß § 670 BGB zu erstatten. Die Aufwendungen für die Reinigung der Hygienekleidung habe die Beklagte nicht im Interesse des Klägers, sondern in ihrem eigenen Interesse getätigt, da Personen, die in einem Bereich arbeiten, in dem mit Lebensmitteln umgegangen wird, nach Anhang II Kapitel VIII Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene und gemäß Nr. 3 Buchst. b der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 der nationalen Lebensmittelhygiene-Verordnung geeignete und saubere Arbeitskleidung tragen müssten.
Entschädigungsanspruch eines Schwerbehinderten wegen Diskriminierung
Wird ein schwerbehinderter Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch für eine von einer Stadt ausgeschriebene Stelle eingeladen, begründet dies den Verdacht der Diskriminierung wegen Schwerbehinderung, wenn der Bewerber fachlich nicht offensichtlich ungeeignet ist.
Das hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt (Urteil vom 11.8.2016 – 8 AZR 375/15).
Der mit einem Grad von 50 schwerbehinderte Kläger hatte sich bei der beklagten Stadt für die Stelle eines „Techn. Angestellte/n für die Leitung des Sachgebiets Betriebstechnik“ des Komplexes „Palmengarten“ beworben. In der Beschreibung der ausgeschriebenen Stelle hatte die Beklagte angegeben: „Wir erwarten: Dipl.-Ing. (FH) oder staatl. gepr. Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation“. Obwohl der Kläger mit seiner Bewerbung, u.a. durch einen umfassenden Lebenslauf, seine Qualifikationen als ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich „Alternative Energien“ nachwies, wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die freie Stelle vergab die Beklagte an einen anderen Bewerber. Mit seiner Klage begehrte der Kläger nunmehr eine Entschädigungszahlung wegen Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung.
Das Arbeitsgericht gab der Klage in Höhe von drei Bruttomonatsverdiensten statt, das Landesarbeitsgericht änderte das Urteil auf die Berufung der Beklagten teilweise ab und sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes zu. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Dass die Stadt ihrer Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (§ 82 SGB IX), nicht nachgekommen sei, lasse begründet vermuten, der Kläger sei aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht für die zu besetzende Stelle in Betracht gezogen und dadurch benachteiligt worden. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf § 82 Satz 3 SGB IX berufen, da aus den durch den Kläger eingereichten Bewerbungsunterlagen nicht hervorgehe, dass es ihm an der erforderlichen fachlichen Eignung offensichtlich fehle.
Gerichtliche Leistungsbestimmung bei Bonusanspruch
Hat ein Arbeitnehmer einen vertraglich vereinbarten Bonusanspruch, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen festsetzen kann, so ist diese Festsetzung voll gerichtlich überprüfbar. Die Entscheidung des Arbeitgebers ist gemäß § 315 Abs. 3 BGB als unverbindlich anzusehen, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht. Die Bestimmung der Bonushöhe ist dann durch das Gericht auf Basis des Parteienvortrags vorzunehmen.
Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 3.8.2016 – 10 AZR 710/14).
Der Kläger arbeitete vom 1.1.2010 bis zum 30.9.2012 als Managing Director einer deutschen Niederlassung der Beklagten, einer internationalen Großbank. Auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung, nahm der Kläger am jeweils gültigen Bonussystem und/oder am Deferral Plan der Beklagten teil. Dementsprechend wurde dem Kläger im Jahr 2009 eine Leistung in Höhe von 200.000 Euro und im Jahr 2010 einen Leistung in Höhe von 9.920,00 Euro ausgezahlt. Während anderen Mitarbeiter auch 2011 Leistungen zwischen einem Viertel und der Hälfte ihrer jeweiligen Vorjahresleistung gewährt wurden, erhielt der Kläger keinen Bonus oder Deferral Award. Mit seiner Klage begehrte er nunmehr die Zahlung eines Bonus für das Jahr 2011 in Höhe von mindestens 52.480,00 Euro.
Nachdem das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von 78.720,00 Euro stattgegeben hatte, wies das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage mit der Begründung ab, eine gerichtliche Leistungsfestsetzung sei mangels „hinreichender Anhaltspunkte“ nicht möglich. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg. Dem Kläger stehe für das Jahr 2011 ein Bonus und/oder Deferral Award zu. Da die Beklagte zur Berechtigung der von ihr vorgenommenen Festsetzung auf Null nicht ausreichend vorgetragen habe, sei diese Festsetzung als unverbindlich zu bewerten. Die Leistung sei deshalb gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf Basis des Sachvortrags der Parteien durch das Gericht zu bestimmen. Allerdings könne von der Partei des Arbeitnehmers keine Äußerung zu Faktoren erwartet werden, die sich ihrer Kenntnis entzögen (z. B. die Höhe eines Bonustopfes). Trage der Arbeitgeber hierzu seinerseits nicht vor, so müsse das Gericht die aktenkundig gewordenen Umstände heranziehen und die Leistung z. B. auf Basis der Höhe der Leistung in den Vorjahren, den wirtschaftliche Kennzahlen oder dem Ergebnis einer Leistungsbeurteilung festsetzen.
EuGH äußert sich zum Verkauf von Computern mit vorinstallierter Software
Der Verkauf eines Computers mit bereits vorinstallierter Software an sich ist nicht als unlautere Geschäftspraxis zu werten. Auch liegt in der fehlenden Preisangabe für die einzelnen vorinstallierten Programme keine irreführende Geschäftspraxis.
Das hat der Europäische Gerichtshof klargestellt (Urteil v. 7.9.2016 – C-310/15).
Der Kläger im Ausgangsverfahren hatte 2008 in Frankreich einen Sony-Laptop zum Preis von 549 Euro erworben, auf dem das Betriebssystem Microsoft Windows Vista und verschiedene Softwareanwendungen bereits vorinstalliert waren. Als er beim erstmaligen Gebrauch des Laptops aufgefordert wurde, den „Endbenutzer-Lizenzvertrag“ (EULA) des Betriebssystems zu unterzeichnen, verweigerte er dies und wollte von Sony den Anteil des Kaufpreises zurückerhalten, der dem Preis für die vorinstallierte Software entspricht. Das lehnte das Unternehmen allerdings ab. Stattdessen wurde dem Kläger angeboten, den Kauf des Computers für ungültig zu erklären und ihm gegen Rückgabe des Gerätes den kompletten Kaufpreis zu erstatten. Daraufhin erhob dieser Klage vor dem französischen Kassationsgerichtshof. Er begehrt eine pauschale Entschädigung für die vorinstallierte Software in Höhe von 450 Euro sowie Schadensersatz wegen unlauterer Geschäftspraktiken in Höhe von 2500 Euro und beruft sich hierfür auf die Richtlinie 2005/29/EG. Der EuGH hatte nunmehr im Wege der Vorabentscheidung zu klären, „ob es eine unlautere Geschäftspraxis darstellt, einen Computer mit vorinstallierter Software zu verkaufen, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen“ und „ob es eine irreführende Geschäftspraxis darstellt, wenn im Rahmen eines Kopplungsangebots in Form des Verkaufs eines Computers mit vorinstallierter Software eine Preisangabe für die einzelnen Programme fehlt“.
Die Richter äußerten, für die Beurteilung, ob eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie 2005/29 vorliege, habe das nationale Gericht zu prüfen, ob der Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software an sich den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspreche und das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinflusse. Es sei nicht ersichtlich, dass der Verkauf eines sofort nutzbaren Computers der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht, denn dadurch würden die Erwartungen vieler Kunden erfüllt. Im konkreten Fall sei der Kläger zudem vor dem Gerätekauf hinreichend über die vorinstallierte Software unterrichtet worden und habe zusätzlich noch die Möglichkeit gehabt, den Kauf zu widerrufen. Weiterhin sei vom nationalen Gericht zu klären, ob es „die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt“ habe, wenn dieser, wie hier, bereits vor dem Kauf gewusst habe, dass das gewählte PC-Modell nur mit vorinstallierter Software zu erwerben sei, er sich also auch für ein technisch vergleichbares Modell eines anderen Herstellers hätte entscheiden können. Die Frage der irreführenden Geschäftspraxis verneinten die Richter. Die fehlende Preisangabe für die einzelnen vorinstallierten Programme sei „weder geeignet, den Verbraucher daran zu hindern, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, noch geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“.
Schadensersatz wegen Preismanipulation bei eBay-Auktion
Gibt der Verkäufer eines Artikels während einer eBay-Auktion unzulässige Eigengebote ab, um dadurch einen Bieter zu immer höheren Geboten zu verleiten, sind diese unbeachtlich. Zu berücksichtigen ist lediglich das letzte vom Anbieter nicht manipulierte Gebot.
Das entschied der Bundesgerichtshof (Urteil vom 24.8.2016 – VIII ZR 100/15).
Im Juni 2013 hatte der Beklagte einen gebrauchten Golf 6 bei eBay eingestellt. Den PKW wollte er im Rahmen einer Internetauktion verkaufen, für die er einen Startpreis in Höhe von 1 Euro wählte. Nachdem ein anderer Bieter ein erstes Gebot abgegeben hatte, stieg der Kläger in die Auktion ein und bot im nächsthöheren Bietschritt zunächst 1,50 Euro für das Fahrzeug. Daraufhin begann der Beklagte, der über ein zweites Benutzerkontoverfügte, den Kläger immer wieder zu überbieten, bis die Auktion bei 17.000 Euro mit dem Beklagten selbst als Höchstbietendem endete. Mit seinem kurz danach abgegebenen Gebot über ebenfalls 17.000 Euro konnte der Kläger die Auktion daher nicht mehr für sich entscheiden. Da jedoch Eigengebote, wie sie der Beklagte getätigt hatte, nach den eBay-AGB ausdrücklich nicht gestattet sind, war der Kläger der Meinung, den Golf 6 dennoch ersteigert zu haben – und zwar zu einem Preis von 1,50 Euro. Als der Beklagte dann behauptete, den PKW bereits anderweitig verkauft zu haben, begehrte der Kläger Schadensersatz in Höhe des Marktwerts , den er auf mindestens 16.500 Euro schätzte.
Das Landgericht gab der Schadensersatzklage statt. Das Oberlandesgericht änderte das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Beklagten hin ab und wies die Klage ab. Zur Begründung führten die Richter aus, aufgrund der rechtlich unwirksamen Eigengebote des Beklagten sei zwischen den Parteien zwar ein Kaufvertrag zustande gekommen. Allerdings zu einem Kaufpreis über 17.000 Euro, denn in dieser Höhe habe der Kläger sein letztes Gebot abgegeben. Dieser Preis liege über dem angenommenen Verkehrswert des Fahrzeugs, mithin sei kein Schaden ersichtlich. Dies sahen die Bundesrichter anders. Sie hoben das Berufungsurteil nunmehr auf und stellten das Urteil des Landgerichts wieder her.
Als Kaufpreis sei nicht das letzte, sondern das erste Gebot des Klägers in Höhe von 1,50 Euro zu berücksichtigen. Denn mit seinen weiteren zahlreichen Maximalgeboten habe der Kläger „noch keine auf das jeweilige Maximalgebot bezifferte und auf den Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages gerichteten Annahmeerklärungen abgegeben“. Vielmehr habe er durch diese lediglich erreichen wollen, reguläre Mitbieter zu übertreffen, um so „bis zum Erreichen des von ihm vorgegebenen Maximalbetrages Höchstbietender zu werden oder zu bleiben“. Aufgrund der unwirksamen Eigengebote des Verkäufers und mangels weiterer regulärer Gebote sei der Kläger aber bereits mit seinem Gebot über 1,50 Euro Höchstbietender der Auktion geworden. Der Kaufvertrag sei wegen des im Vergleich zum Verkehrswert des Fahrzeugs derart niedrigen Kaufpreises auch nicht als sittenwidrig einzustufen, da gerade in der Chance, einen Auktionsgegenstand zu einem „Schnäppchenpreis“ erstehen zu können, der „Reiz von Internetauktionen“ liege.